Guten Abend meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde!
Auch ich darf Sie/Euch heute Abend herzlich zu unserem Politiktreff begrüßen. Ich freue mich sehr, dass so viele unserer Einladung gefolgt sind.
Unser heutiges Thema ist so vielschichtig und betrifft so viele Bereiche unseres täglichen Lebens, dass ich erst mal ein bisschen Zeit brauchte um meine Gedanken zu sammeln, zu sortieren und die wichtigsten Aspekte zu dieser kleinen Einführungsrede zusammenzufassen.
Hier kann man nämlich wirklich „von Hölzchen auf Stöckchen“ kommen!
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt!“, so lautet Artikel 3 unseres Grundgesetzes. Wahrlich ein starker Satz!
Und er sollte auch zunächst nur vorübergehend gelten, nämlich von 1949 bis 53.
In der Zwischenzeit wollte die Regierung unter Konrad Adenauer nämlich das Familienrecht reformieren. Dies geschah jedoch nicht und das Bundesverfassungsgericht hatte mittlerweile auch Rechtssicherheit hergestellt, so dass er uns erhalten geblieben ist, dieser wichtige Artikel!
Und wenn heute ein Mädchen geboren wird, dann hat es nicht nur eine ca. 50%ige Chance, den 100sten Geburtstag zu erreichen, es wächst auch mit eben diesem Artikel 3 ganz selbstverständlich auf.
Einem Artikel, den es seit 1949 gibt, der aber seitdem immer weiter vervollständigt wurde und der Frauen Stück für Stück die Rechte gegeben hat, die heute so selbstverständlich sind, dass niemand mehr darüber diskutiert…oder doch???
Nun, wir feiern heute nicht nur den Geburtstag unseres Grundgesetzes, auch ein ganz wichtiges Frauenrecht wird dieses Jahr 40 Jahre alt, nämlich das Recht, als Ehefrau ohne Zustimmung des Ehemannes berufstätig zu sein.
Erst 1977 wurde die Hausfrauenehe als rechtlicher Normalfall abgeschafft, bis dahin nämlich durfte der Ehemann das Arbeitsverhältnis seiner Ehefrau kündigen, und dies ohne deren Zustimmung, quasi als Verbot!
Dieses Recht ist also noch ziemlich jung!!!
Meine Damen: stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie sind an Ihrem Arbeitsplatz und Ihr Göttergatte marschiert schnurstracks zu Ihrem Chef:
…… heute undenkbar!!!
Eine Frau durfte damals überhaupt nur arbeiten, wenn sie ihre Pflichten in der Ehe, gegenüber den Kindern und selbstverständlich ihre Pflichten als Hausfrau nicht vernachlässigte.
Von im Haushalt helfenden Ehemännern war damals natürlich noch lange nicht die Rede, und auch die Wörter „Kita“ oder „Ganztagsschule“ waren noch nicht erfunden.
Frauen waren also per Gesetz von ihren Männern in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht sehr abhängig, und daher auch selten in der Lage, ihre Altersvorsorge selbst in die Hand zu nehmen.
Das Problem der hinterher oft kleinen Witwenrenten dürfte allseits bekannt sein…
Und eine Frau war damals gut beraten sich gegen den Haushaltsvorstand nicht aufzulehnen, denn geschieden wurde bis 1977 nach dem „Schuldprinzip“. Verstieß sie also gegen das Gesetz und wurde sie dann wegen Vernachlässigung ihrer Pflichten schuldig geschieden, ging sie beim Unterhalt und nicht selten auch beim Sorgerecht für die Kinder oft leer aus, mit den vorab schon beschriebenen sozialen und wirtschaftlichen Folgen…..
Hier mag, besonders bei jüngeren Frauen, die Frage aufkommen:
Wenn doch der Artikel 3 des Grundgesetzes seit 1949 Gleichberechtigung garantiert, der Ehestand diese Rechte seinerzeit jedoch so stark eingeschränkt hat, warum haben damals Frauen überhaupt geheiratet?
Nun ja, selbständige, berufstätige und wirtschaftlich unabhängige Frauen gab es sicherlich in jeder Epoche, aber wenn sich früher eine solche Frau, und dies galt noch bis in die 60ger/70ger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein, einen Partner ausgesucht hatte und nicht über Wohneigentum verfügte, dann gab´s oft Ärger:
Der Hauseigentümer mochte noch so sehr mit einer unverheirateten Mieterin einverstanden gewesen sein, jedoch tagsüber Erfüllung im Beruf und nachts Erfüllung ohne Trauschein…..
Das ging dann doch zu weit und die gemeinsame Wohnung gab´s dann eben doch erst nach der Hochzeit!
Udo Jürgens beschrieb genau dies in seinem Lied „Ehrenwertes Haus“.
Der juristische, aber auch der soziale Druck auf die Frauen war also seinerzeit enorm und heute kaum noch vorstellbar!!!
Die Frauenrechte wurden in den letzten Jahren und Jahrzehnten hart erkämpft, sehr oft unter deutlicher Federführung von SPD-Parlamentarierinnen, von Gewerkschafterinnen und von aktiven Frauenrechtlerinnen aus den verschiedensten Richtungen.
Der Themenbogen geht hier vom Recht der Frauen auf ein Studium 1908, das aktive und passive Wahlrecht 1918, der Ernennung er ersten Richterin 1933.
Aber es gab auch Rückschläge:
Im Naziregime galt wieder das Ideal der Ehefrau, Hausfrau und Mutter, in Bezug auf die Emanzipation wurde zurückgerudert und 1935 den Frauen das passive Wahlrecht wieder abgenommen, das Recht auf Habilitation und das Recht auf den Beruf als Anwältin oder Richterin nehmen die Nazis den Frauen ein Jahr später.
1937 ergeht ein Berufsverbot für verheiratete Beamtinnen und Lehrerinnen, welches übrigens bis 1950 weiter galt!!!
An dieser Stelle sei erwähnt, dass wir die Formulierung des Artikel 3 der SPD-Politikerin Elisabeth Selbert verdanken, einer Anwältin und Familienrechtlerin aus Hessen, die als letzte Frau ihre Zulassung als Anwältin bekam, bevor die Nazis Frauen vom Anwaltsberuf ausschlossen.
Und Elisabeth Selbert sah einen großen Unterschied zwischen der Formulierung: „Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte“ und der Formulierung: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.
Dies ist nämlich in Bezug auf die juristische Feinheiten noch längst nicht dasselbe!!!
Und in den 50er Jahren wurden dann weitere Frauenrechte erkämpft:
1952 trat das Mutterschutzgesetz in Kraft und 1958 wird der sogenannte „Stichentscheid“ aufgehoben, eine Regelung, nach der bei Meinungsverschiedenheiten in der Kindererziehung immer der Vater das letzte Wort hatte.
Im Erbrecht wurde die sogenannte Höfeordnung, die männliche Erben bevorzugte, als verfassungswidrig erklärt, sie benachteiligte weibliche Erben, z. B. in der Landwirtschaft.
Der Paragraph 218 wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder novelliert, 1988 wird mit Rita Süßmuth erstmals eine Frau Bundestagspräsidentin, Heide Simonis wird 1993 die erste Ministerpräsidentin eines deutschen Bundeslandes und ebenfalls als erste Frau wird sie Ehrenbürgerin Schleswig-Holsteins.
Und auch Angela Merkel sei hier erwähnt, als erste Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.
Die zahlreichen Veränderungen und Verbesserungen diverser Gesetze in den letzten Jahren und Jahrzehnten, z. B. im Familien- und Unterhaltsrecht und in vielen weiteren Bereichen würden hier den Rahmen dieser kleinen Rede sprengen.
Und wir sind noch nicht am Ende: Die Vergewaltigung in der Ehe wurde 1997 Straftatbestand, bis dahin gab es sie strafrechtlich gar nicht und war maximal einfache Nötigung.
Auch hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Absicherung bei Pflege von Familienangehörigen bei der eigenen Rente, und vielen anderen Dingen gibt es noch viel zu tun.
Solange wir noch einen Equal Pay Day haben, solange der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen noch immer über 20 % liegt, so lange ist der Artikel 3 des Grundgesetzes noch nicht vollständig erfüllt und wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns.
Wir sehen also: es ist nichts vom Himmel gefallen, und es wird auch zukünftig nichts vom Himmel fallen!
Apropos Himmel:
Beim Thema Himmel sind wir auch ganz nah am Thema Religion.
Für alle Menschen in Deutschland gilt das Grundgesetz, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung und eben auch unabhängig von der Religion!
„Das Weib schweige in der Gemeinde“ kennen sicher viele von uns aus der Bibel, und das treibt so manchem heute ein Lächeln ins Gesicht; aber wie steht´s eigentlich um die Frauenrechte im Islam?
Hart hält sich das Vorurteil, der Koran, besonders aber die Scharia, seien im Hinblick auf unseren Artikel 3 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Aber ist das wirklich so???
Hartnäckig hält sich die Meinung, der Islam unterdrücke die Frauen, und den Rest erledigen dann männliche Vorherrschaft und frauenfeindliche Kultur!
Und jeder von uns kennt oder glaubt hierfür in seinem Umfeld Beispiele zu kennen. Einmal hat die Frau in einer islamischen Ehe nix zu sagen, dann wiederum gibt´s Beispiele, wo die Frau die Hosen an hat!
Hier herrscht sicherlich großer Aufklärungs- und Diskussionsbedarf!
Daher freuen wir uns ganz besonders, heute Abend 2 kompetente Referenten bei uns zu haben, die sicherlich viele Vorurteile ausräumen und etliche Wissenslücken schließen werden.
Frau Gabriele Riedl, Diplom-Soziologin und Expertin im Frauenrecht und Herr Mohammed Assila, Interkultureller Berater und Lehrer für islamischen Religionsunterricht, werden uns gleich von Missverständnissen befreien und Licht ins Dunkel bringen.
Im Anschluss freuen wir uns dann auf eine hoffentlich interessante und anregende Diskussion.
Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle meiner Mitorganisatorin Renate Theis für ihre wunderbare und kompetente Unterstützung.
Deine Kompetenz und Deine kollegiale Hilfe waren für diesen Abend einfach unverzichtbar!
In diesem Sinne bedanken wir uns nochmals für Ihr Kommen und Ihr Interesse und wünschen diesem Abend einen spannenden Verlauf!